Bürgermeister Prof. Dr. Christoph Landscheidt und Planungsamtsleiterin Monika Fraling vor dem Regionalplan (Foto: privat)
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Kamp-Lintfort. Verwaltung setzt sich gegen Kiesflächen und für mehr Wohn- und Gewerbegrundstücke ein

Zum Entwurf des Regionalplans des Regionalverbands Ruhr hat die Stadt Kamp-Lintfort nun ihre Stellungnahme vorgestellt. Es gibt darin gleich mehrere Kritikpunkte, die die Stadtverwaltung beschäftigen. „Die Unterlagen sind mit Erläuterung, Begründung, Umweltbericht und Kartenwerken umfangreich. Mit vielem können wir uns einverstanden erklären,“ erläutert Bürgermeister Prof. Dr. Christoph Landscheidt. „Unser kritisches Augenmerk liegt auf der zu geringen Ausweisung ausreichender Wohnbau- und Gewerbeflächen sowie den vorgesehenen neuen Auskiesungsflächen.“

Die Stadt hat den Eindruck, dass durch die vermeintlich „bedarfsgerechte“ Siedlungsentwicklung, die das Land und der RVR verfolgen, die kommunalen Interessen nicht genügend berücksichtigt werden. Als Beispiel nennt die Verwaltung den Bereich südlich des Kranichweges im Niersenbruch, für den bereits in diesem Jahr ein Planungsprozess angeschoben werden soll. „Die Fläche ist im aktuellen Regionalplanentwurf nicht als Siedlungsbereich dargestellt. Wenn der Regionalplan so rechtskräftig wird, wäre neben der normalen Bauleitplanung ein aufwendiges Regionalplanänderungsverfahren erforderlich,“ erläutert Planungsamtsleiterin Monika Fraling. Hier befürchtet die Verwaltung einen hohen Arbeits- und Zeitaufwand. „Wir haben eine sehr hohe Nachfrage nach Wohnbaugrundstücken und müssen hierauf zeitnah reagieren können,“ so Landscheidt.

Nicht zufrieden ist die Stadt mit den Berechnungsgrundlagen für die Flächenkontingente, die auf Daten aus 2005 beruhen und noch von einer abnehmenden Bevölkerungsentwicklung ausgingen. „Die Einwohnerzahl hat entgegen aller Prognosen seit 2014 stetig zugenommen, was einen jährlichen Bevölkerungszuwachs zwischen 100 und 600 Personen zur Folge hat. Wir gehen davon aus, dass sich durch die Hochschule, den Bahnanschluss und die Nachnutzung des Bergwerkgeländes dieser Positiv-Trend fortsetzt,“ erläutert der Bürgermeister.

Auch bei den Gewerbeflächen sieht es nicht besser aus. Lediglich eine überschaubare Fläche von 10 Hektar an der Prinzenstraße/ Ecke B510 steht für die Gewerbeentwicklung zur Verfügung. Demgegenüber besteht ein immenser Bedarf an gewerblichen Bauflächen. „Es gibt zahlreiche Unternehmen, denen kein geeignetes Angebot gemacht werden konnte und die letztendlich in andere Städte bzw. Regionen gegangen sind,“ erläutert Landscheidt und bezieht sich dabei auf aktuelle Erhebungen des Kreises Wesel zur Gewerbeentwicklung, nach der in den letzten vier Jahren 24% aller Flächenpotenziale im Kreis in Anspruch genommen wurden. Zwar hat Kamp-Lintfort einen sogenannten „Regionalen Kooperationsstandort“ im Bereich Rossenray/ Hornenheidchen in der Größe von 175 Hektar. Aber das ist aus Sicht der Stadt keine Lösung, da die Fläche Unternehmen mit einer Nettogrundstücksfläche von mindestens 8 Hektar vorbehalten sind. Da aufgrund von dort ansässigen Unternehmen und Flächenrestriktionen durch Überlandhochspannungsleitungen lediglich 90 Hektar verbleiben, fordert die Stadt, diesen Kooperationsraum nordöstlich der Müllverbrennungsanlage Asdonkshof bis zur A 57 auszudehnen. Eine weitere Potenzialfläche wird die Stadt im Bereich Tor Ost gegenüber dem RVR benennen, da sie sich aus Sicht der Stadtplanung eignet, um in der Nähe zur A 57 ein gut erschlossenes Gewerbegebiet zu entwickeln.

Neben den Wohn- und Gewerbeflächen sind es erneut die Auskiesungsflächen, die der Stadt ein Dorn im Auge sind. Die drei zusätzlichen Flächen im Wickrather Feld mit 91,7 ha, nördlich der Leucht mit 39 ha und im Niephauser Feld mit 27,7 wird die Stadt nach wie vor nicht akzeptieren. „Dass uns die von der Landesregierung vorgegebene Gesamtauskiesungsfläche von 160 Hektar gleich zwei neue Abgrabungsgebiete in bislang intakten, von Baggerlöchern völlig unberührten Landschaftsräumen beschert, ist einfach unglaublich!“ so der Bürgermeister.

Das Wickrather Feld war bereits mehrfach als Auskiesungsbereich im Fokus und ist aufgrund des zu geringen Kiesvorkommens und des starken Bürgerprotestes gegen die Auskiesung in der Vergangenheit nicht weiterverfolgt worden. Auch nun liegen bereits über 12.000 Unterschriften gegen die Auskiesung vor. Bekannt wurde aktuell, dass einige der betroffenen Eigentümer nicht verkaufsbereit sind. „Die Stadt Kamp-Lintfort ist ebenfalls Eigentümerin und wird die betroffenen Verkehrs- und Wegeflächen nicht kampflos aufgeben,“ kündigt der Bürgermeister an.

Aber damit nicht genug, denn auch die im Regionalplan vorgesehenen Ausnahmeregelungen bereiten der Stadt Sorgen. Hiernach wären weitere 70 Hektar Auskiesungsfläche zu befürchten. „Diese Ausnahmen untergraben das Konzentrationszonengebot, das vernünftigerweise vorgibt, dass alle Ausgrabungsflächen zusammenliegen müssen. Einem Flickenteppich von Baggerlöchern stimmen wir auf keinen Fall zu,“ so Landscheidt. „Dagegen werden wir mit allen politischen und rechtlichen Mitteln vorgehen.“

Auch wird die Folgenutzung Wasserfläche nicht akzeptiert, die ohne Rücksicht auf die landschaftsräumlichen Besonderheiten und städtischen Entwicklungsziele im Niephauser Feld und im Wickrather Feld festgelegt wurde. Denn mit beabsichtigten Rekultivierungsabsichten hat die Stadt bislang nur schlechte Erfahrungen gemacht: So fehlt bis heute von Wegen und Aussichtspunkten im Rossenrayer Feld, die von den Auskiesungsunternehmen schon für 2017 angekündigt waren, jede Spur. Um spätestens 2032 ein Ende der mit den bestehenden Auskiesungen einhergehenden Belastungen zu erreichen, fordert die Stadt die Rücknahme aller neuen Auskiesungflächen aus dem Regionalplan.

Die Verwaltung setzt darauf, dass der RVR den Regionalplan überarbeitet. „Es ist aus Sicht der Stadt Kamp-Lintfort nicht nachvollziehbar, wieso der RVR Auskiesungsflächen konkret und großräumig umsetzt, beim Flächenbedarf für Wohnen und Gewerbe jedoch restriktiv und einschränkend handelt. Wir brauchen Vorgaben und Spielräume, die eine zukunftsgerichtete und nachhaltige Stadtentwicklung ermöglichen,“ so das Fazit des Bürgermeisters.

Der Regionalverband Ruhr setzt im Regionalplan die Vorgaben der Landesregierung durch den Landesentwicklungsplan um. Zu dem Entwurf können alle Städte und Gemeinden aber auch einzelne Bürgerinnen und Bürger eine Stellungnahme bis zum 1. März einreichen. Nach Auswertung der Stellungnahmen entscheidet die Verbandsversammlung des RVR dann über die finale Fassung des Regionalplans, an die sich alle Kommunen im Verbandsgebiet halten müssen.

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