René Schneider, MdL, Vorsitzender der SPD im Kreis Wesel (Foto: privat)
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Rhein-Ruhr. Die Supermarktkette real steigt aus dem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag aus. Für die Mitarbeiter bedeutet die Entscheidung, dass künftige Verträge viel schlechter bezahlt werden. Von 1.900 statt 2.600 Euro brutto im Monat sprechen Gewerkschafter. Freuen darf sich der Mutterkonzern METRO (Jahresumsatz 17/18 rund 36,5 Milliarden Euro), der damit die Braut real schön gemacht hat für einen Käufer. Die Leidtragenden sind die aktuellen und künftigen Beschäftigten.

Jetzt wird METRO/real kritisiert, Tarifflucht und Lohndumping zu begehen. Doch steht der Konzern nur stellvertretend für viele weitere Unternehmen, die sich auf Kosten der Beschäftigten einen schlanken Fuß machen. Ob Aktieninhaber oder Gesellschafter: Wem der Laden gehört, der will auch verdienen. Immer mehr. Das funktioniert, indem man Gewinne steigert oder Ausgaben senkt. Weil die erste Möglichkeit immer schwerer wird, versucht man an der Kostenschraube zu drehen. Laufende Ausgaben müssen gesenkt werden – darum müssen die Mitarbeiter bluten.

Folge ist, dass viele von ihnen nicht mehr von dem leben können, was sie mit einem Vollzeitjob (siehe oben) verdienen. Das alleine ist schon niederschmetternd für jemanden, der jeden Tag acht und mehr Stunden lang arbeitet. Wenn das Geld dann aber noch so knapp ist, dass er oder sie aufstockt, also zusätzlich Arbeitslosengeld 2 bezieht, dann verstehen manche die Welt nicht mehr.

Hier kommen wir an den Scheidepunkt, der meine Partei, die SPD, seit Jahren belastet. Mit der Agenda 2010 ist es für viele Unternehmen leichter geworden, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einzustellen (und zu feuern). Ungelernte Kräfte bekamen eine Chance durch eben jene Aufstocker-Gelder wieder einer sinnvollen Tätigkeit nachzugehen. Wenn aber gelernte (Fach-)Kräfte mittlerweile nicht mehr von ihrer eigenen Hände Arbeit leben können ohne staatliche Unterstützung, dann wird das System ungerecht. Und es wird zutiefst abgelehnt.

So schön die niedrigen Arbeitslosenzahlen klingen, so hart sind die Schicksale dahinter. Hinzu kommt, dass die Einkommensarmut von heute die Altersarmut von morgen ist. Wer heute nicht genug verdient, um Geld für später wegzulegen, lebt nicht nur heute schlecht sondern fürchtet auch die Zukunft.

Was ist also zu tun? In der Verantwortung stehen die Unternehmen und ihre Anleger, die für ihr Geld eine Rendite erwarten. Sie müssen verstehen, dass ungebremstes Wachstum nicht funktioniert und umgekehrt auch nicht wünschenswert ist. Denn niemand kann seinen eigenen Reichtum genießen, wenn um ihn herum Armut herrscht. Das sollte einem schon das eigene Herz verraten. Dem Verstand wird es spätestens dann klar, wenn man ins Ausland blickt, wo Sicherheitsdienste und hohe Zäune den immensen Reichtum weniger Menschen schützen müssen. Statt Rendite muss wieder das Wohl aller im Vordergrund stehen.

Und weil es nicht reicht, auf die Einsicht zu warten, muss Politik rigoros tätig werden: – Wo irgend möglich muss die Politik die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen schützen. Diese werden verhandelt zwischen Arbeitgebern und unabhängigen(!) Gewerkschaften, deren Anliegen es ist, für ihre Mitglieder auskömmliche Löhne zu verhandeln. – Apropos Lohn: Der Mindestlohn von 8,50 Euro war ein guter Einstieg. Jetzt muss der Betrag an die tatsächlichen Lebensverhältnisse angepasst werden.

Das kann auch zu lokal unterschiedlichen Beträgen führen, weil der Lebensunterhalt in München teurer ist als etwa auf dem Land. Das zeigt übrigens schon, dass ein Bedingungsloses Grundeinkommen als Ersatz für alle Sozialleistungen möglicherweise viel ungerechter sein könnte, als manche heute meinen. – An den tatsächlichen Lebenshaltungskosten müssen sich dann auch die Hartz-4-Sätze orientieren. – Zeitlich unbegrenzte Aufstockerleistungen gehören gänzlich abgeschafft. Sie führen dazu, dass sich manche Unternehmen ihr Personal co-finanzieren lassen. Das können sie, wenn sie die allgemeinverbindlichen Tarifverträge aufkündigen und Lohndumping mittels eigener Tarifverträge betreiben.

Jetzt steht real in der Kritik. Das Problem ist jedoch eines, das wir ganz allgemein haben. Es zu lösen, hilft deshalb auch allen Menschen und damit der ganzen Gesellschaft. Ich möchte deshalb, dass die SPD es genau so anpackt!

Ein KlarKlick von René Schneider, MdL, Vorsitzender der SPD im Kreis Wesel

Quellen: Jahresumsatz METRO (https://www.metroag.de/investoren)

InfoKlick: Beitrag Aktuelle Stunde WDR “Flucht aus dem Tarifvertrag – die Abwärtsspirale” (Verfügbar bis 28.10.2018)

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