Freuen sich über das Glockenspiel im Jagdschloss (v.l.) Museumsleiterin Dr. Jennifer Morscheiser, der Linner Nachtwächter, Heinz-Peter Beurskens, Jeannine Moens, Vorsitzende der Freunde der Museen Burg Linn, Dr. Christoph Dautermann, stellvertetender Museumsleiter (Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation)
Anzeigen

Krefeld. Das Glockenspiel im Jagdschloss in der Vorburg von Burg Linn hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich. Die Glocken aus Meißener Porzellan scheinen seit jeher Teil des noblen Ambientes aus der Zeit der Kölner Kurfürsten gewesen zu sein. Ihre Geschichte hängt jedoch mit der des Krefelder Uhrmachers Paul Lenzen aus dem 20. Jahrhundert zusammen. Und erst seit dem Herbst 1995 erfreut das Spiel der Glocken die Besucher der Vorburg mehrmals am Tag. Zu hören waren unter anderem Stücke aus Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ – bis vor einigen Wochen die erste Steuerung einen Defekt erlitt. Mit der finanziellen Hilfe der Freunde der Museen Burg Linn und des Linner Nachtwächters, Heinz-Peter Beurskens, konnte inzwischen eine neue Computersteuerung eingebaut werden. Zudem wurde die Mechanik des Glockenspiels verbessert. „Unser Dank geht hier an beide, sonst wäre es nicht mehr spielbar“, freut sich Museumsleiterin Dr. Jennifer Morscheiser.

Die Geschichte des Linner Glockenspieles reicht in den Zweiten Weltkrieg zurück: In der Stadt war Paul Lenzen als Krefelder „Klockebaas“ bekannt. Im Dachstuhl seines Geschäftes an der Königstraße hatte er 1935 ein Spiel aus Bronzeglocken einbauen lassen. Während des Zweiten Weltkriegs, im Jahr 1942, wurden diese Bronzeglocken zum Einschmelzen demontiert. Nach dem Krieg besorgte Lenzen sich für den Wiederaufbau seines Geschäftes 24 Glocken aus Porzellan, weil er nicht mehr riskieren wollte, dass man ihm eines Tages seine Glocken wieder abnehmen würde. Wie er allerdings im Nachkriegsdeutschland an die Glocken gelangte, ist nicht bekannt. Im Jahr 1951 kündigte der Uhrmacher an, dass in der Adventszeit wieder bekannte Melodien an der Königstraße zu hören seien. Doch dazu kam es nicht. Ein Grund mag die nicht gewährte Ersatzzahlung durch den Staat für das eingeschmolzene Bronze-Glockenspiel gewesen sein. Die sollte Paul Lenzen erst nach seinem Tod 1960 nachträglich gewährt werden. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich die Glocken bei einem Ulmer Unternehmen, welches die Klöppel einsetzen sollte. Aber auch dazu kam es nicht mehr.

Fünf Jahre nach dem Tod des „Klockebaas“ schenkten seine Schwestern dem Museum Burg Linn die Glockensammlung und einige Taschenuhren. Die Stadt übernahm die Kosten in Höhe von 265 D-Mark für die Rückführung aus Ulm. In Linn lagerten die Meißener Glocken in einer Holzkiste ab 1965 unter dem Dach des Jagdschlosses. Mitte der 1980er-Jahre wurde Rainer Scharl, damaliger zweiter Vorsitzender vom Verein der Freunde der Museen Burg Linn, auf die Kiste aufmerksam. Im Rahmen einer Diplomarbeit wollte er selbst eine Konstruktion für das Glockenspiel bauen. Aber nach der Besichtigung von mehreren anderen Glockenspielen und dem nicht gelungenen Versuch, mit der Meißener Manufaktur in der DDR Kontakt aufzunehmen, ließ er das komplizierte Unterfangen ruhen. Stattdessen machte er in den kommenden zehn Jahren den kostbaren Schatz des Museums durch Presseberichte in der Stadt bekannt.

Um das Jahr 1711 wurde das erste Glockenspiel aus Porzellan produziert. Schnell kristallisierte sich die Abstimmung der Glocken jedoch als schwieriges Problem heraus. Um 1929 gelang es Professor Emil Paul Börner in Meißen abgestimmte Glocken herzustellen. Das erste Glockenspiel wurde dann in der dortigen Frauenkirche installiert. Aus dieser Zeitspanne sollen auch die Krefelder Glocken stammen, denn während des Zweiten Weltkriegs bis in die Mitte der 1950er-Jahre wurden in Meißen keine Glocken mehr angefertigt.

Das harmonische Zusammenspiel von Porzellanglocken blieb ein kompliziertes Unternehmen. Für die Melodien des Krefelder Glockenspiels konnten die Museumsfreunde in den 1990er-Jahren Professor Günter Schwarze von der Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber“ in Dresden gewinnen. Er arrangierte die zwölf Melodien für die 18 Glocken, die noch heute im Wechsel der Jahreszeiten erklingen. Zudem können zu besonderen Anlässen die Europahymne und für Brautpaare Hochzeitslieder gespielt werden. Die Freunde der Museen Burg Linn finanzierten mit 120 000 D-Mark dann den Einbau des Glockenspiels. Weitere Informationen über das Museum Burg Linn stehen unter www.museumburglinn.de.

Beitrag drucken
Anzeige