Haben im dreiwöchigen Projekt „Schüler leiten eine Station“ viel gelernt: „Stationsleiter“ Rudolf Roth und Daniel Gries, hier beim Vorbereiten einer Infusion (Foto: RKN Kliniken)
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Grevenbroich. Viel Lob von Patienten, Auszubildenden und examinierten Kräften für praktisches Lernen im „Echtbetrieb“ des Kreiskrankenhauses.

Besucher auf der Station EA im Kreiskrankenhaus Grevenbroich St. Elisabeth werden kaum etwas bemerken, denn eigentlich ist alles wie immer: Pflegekräfte messen Blutdruck oder Zuckerwerte, verteilen Medikamente, geben Essen aus, organisieren die Aufnahme von Patienten oder bereiten Infusionen vor. Trotzdem ist etwas anders: Denn seit drei Wochen leiten zehn Auszubildende, die kurz vor ihren Abschlussprüfungen zum Gesundheits- und Krankenpfleger stehen, die internistische Station mit kardiologischem Schwerpunkt. Sie teilen nicht nur Klassenkameraden, sondern auch langjährigen Profis ihre Aufgaben zu, stellen Dienstpläne auf und moderieren Übergaben zwischen den Tag- und Nachtschichten. Jetzt, kurz vor Ende des Projektes „Schüler leiten eine Station“, ziehen alle Beteiligten eine durchweg positive Bilanz: Die Pflegeschüler haben an Erfahrung und Selbstvertrauen gewonnen, die examinierten Kräfte gut ausgebildete künftige Kollegen bei der Arbeit erlebt, von denen sie gar noch einige Tipps in ihren Berufsalltag übernehmen konnten – und auch seitens der Patienten gab es viel Lob und Unterstützung für das praktische Lernen im „Echtbetrieb“, das nach dem hervorragenden Testlauf im Kreiskrankenhaus Dormagen 2017 nun auch in der Grevenbroicher Kreisklinik eingeführt wurde.

Oberstes Gebot war natürlich die Versorgung der Patienten in der gewohnten Qualität. Um dies zu jedem Zeitpunkt zu gewährleisten, aber auch den Schülern zusätzliche Sicherheit zu vermitteln, hielten sich rund um die Uhr erfahrene Kräfte im Hintergrund bereit. Viel zu tun gab es aber für sie nicht: „Die machen das klasse“, lobt Fleur Bergmann, hauptamtliche Praxisanleiterin, „obwohl die Schüler im BIG, dem Bildungsinstitut für Gesundheitsberufe, verschiedene Klassen besuchen, sind sie innerhalb kürzester Zeit zu einem echten Team zusammengewachsen.“ Dabei waren die ersten Tage wie ein „Sprung ins kalte Wasser“, wie Rudolf Roth zugibt. Plötzlich waren Entscheidungen zu treffen, Aufgaben zuzuweisen statt auf Arbeitsaufträge zu warten. In diese Rolle musste er zunächst hineinwachsen: „Wenn wir am 1. September unsere Arbeit als examinierte Kräfte aufnehmen, müssen wir alles können und wissen“, sagt der 30-Jährige, der sich für die „Stationsleitung“ auf Zeit einem lebensechten Bewerbungsverfahren inklusive Vorstellungsgespräch unterziehen musste. „Natürlich kennt man die Abläufe, aber es ist schon etwas anderes, plötzlich verantwortlich zu sein. Vor allem der Papierkram, etwa wenn die Ambulanz über eine Neuaufnahme informiert, geht normalerweise an einem vorbei, wenn man als Schüler mitarbeitet“, ergänzt sein Mitschüler Daniel Gries (38), in dessen Zuständigkeit als Pflegekomplexmaßnahmen-Beauftragter drei Wochen lang die Abrechnungen für besonders pflegeintensive Patienten fielen.

Ziel des Projektes „Schüler leiten eine Station“, das immer noch eine Besonderheit in deutschen Krankenhäusern darstellt, ist es, den Schülern einen lebensnahen Einblick in ihren späteren Alltag zu vermitteln, ihre Kompetenzen zu stärken und den Übergang ins Berufsleben als examinierte Pflegekraft besser zu gestalten. Das sieht Tanja Jaeger-Goetz, Pflegedirektorin der Rhein-Kreis Neuss Kliniken GmbH, voll und ganz erreicht: „Die Schüler haben einen ganzheitlichen Blick auf ihren Arbeitsplatz entwickelt und gelernt, selbst zu organisieren. Ein rundherum gelungenes Projekt“, fasst sie zusammen. Nicht nur von den Auszubildenden selbst, auch vom ärztlichen Dienst der Kreiskliniken seien sehr viele positive Rückmeldungen erfolgt. Und nicht zuletzt von den Patienten, die dank des hervorragenden Stellenschlüssels sehr gut versorgt worden seien.

Lange vor dem eigentlichen Start war das Projekt durch Lehrer des BIG, sehr engagierte Mitarbeiter der Rhein-Kreis Neuss Kliniken GmbH und die Auszubildenden selbst vorbereitet worden. So galt es, mehrere Funktionen wie die der stellvertretenden Stationsleitung (Burcu Göycale), Praxisanleiterin (Nina Schulze) oder Hygienebeauftragten (Jessica Kobus) zu besetzen. In Workshops wurden die jungen Leute mit ihren neuen Aufgaben vertraut gemacht. Patienten, Besucher und Kollegen wurden durch selbst gestaltete Plakate und Flyer über das Projekt informiert.

Ein wenig „traurig, dass es bald vorüber ist“, sei er schon, sagt Rudolf Roth. „Mir persönlich hat diese Erfahrung ein wenig die Angst vor dem Start ins Berufsleben genommen“, sagt er. Und auch im Hinblick auf die im Juli und August anstehenden Prüfungen habe dieser sehr praxisorientierte Einschub ihm viel gebracht. „Die organisatorischen Dinge haben wir in den vergangenen Wochen so verinnerlicht, dass ich nicht mehr so sehr fürchte, in der Prüfung etwas zu vergessen“, sagt er zuversichtlich.

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