Die Kreissynode An der Ruhr hat getagt (Foto: privat)
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Mülheim. Nach eingehender Diskussion hat die Kreissynode An der Ruhr an diesem Samstag einen Antrag des kreiskirchlichen Ausschusses für Flüchtlingsfragen angenommen. Die Synodalen fordern, dass auf politischem Wege bald wieder der Familiennachzug für subsidiär geschützte Geflüchtete ermöglicht wird.

Der Antrag ruft Kirchenkreis und Landessynode dazu auf, sich beim NRW-Ministerium für Flüchtlinge und Integration sowie beim Bundesinnenministerium dafür einzusetzen, dass der Familiennachzug für subsidiär geschützte Geflüchtete nach dem 16. März 2018 wieder ermöglicht wird. Bis dahin ist der Familiennachzug ausgesetzt. Politisch diskutiert wird aktuell, diese Aussetzung zu verlängern. In der Begründung des Antrages an die Kreissynode An der Ruhr heißt es: „Die systembedingt langen Wartezeiten auf Bescheide, Zuweisungen, Kurse, berufliche Anerkennungs- und Qualifizierungsmaßnahmen stellen für die Geflüchteten eine große Belastung dar.“ Ergänzend beschloss die Kreissynode, ein gleichlautendes Votum auch an Bundespräsident und -kanzlerin zu richten.

In der Antragsbegründung berichtete Flüchtlingsreferentin Annette Faßbender aus den praktischen Erfahrungen in der täglichen Beratungsarbeit: „Wir erleben, dass die Flüchtlinge nach einer ersten Euphorie des Ankommens sehr verzweifeln, weil sie gewahr werden, dass sie Familien auf längere Zeit nicht mehr sehen können, weil sie oft nur subsidiären Schutz erhalten. Gleichzeitig ist die Frage des Familiennachzugs einer der Hauptstreitpunkte in den Sondierungsverhandlungen für eine neue Regierungskoalition.“ Im Flüchtlingsreferat des Kirchenkreises werden jedes Jahr bis zu 450 Klientinnen und Klienten beraten. Hinter dieser Zahl stehen unterschiedlichste Anliegen: betreuungsintensive wiederholte Kontakte mit komplexen Fragen und Recherchen im Asylverfahren oder auch einmalige praktische Hilfen etwa beim Ausfüllen eines Formulars. Darüber hinaus engagieren sich in vielen Kirchengemeinden haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitende in der Flüchtlingshilfe. Auch sie bekommen im Flüchtlingsreferat regelmäßig Begleitung, Fortbildung und praktische Unterstützung.

Superintendent Gerald Hillebrand, seit Juli offiziell im Amt, erstattete den Synodalen zum ersten Mal Bericht. Bezüge zum soeben begangenen Reformationsjubiläum prägten seine Ansprache an die Synodalen im Mülheimer Altenhof. Damit sich das Reformationsgedenken nicht in den reichlich gehabten Feierlichkeiten erschöpft, bedürfe es einer neuen „Übersetzung mancher vor 500 Jahren gemachten Aussage“. „Wie schärfen wir unser protestantisches Profil, ohne dabei anderen gegenüber rechthaberisch, anmaßend oder verletzend zu erscheinen?“ Eine Notwendigkeit sei es, das ökumenische Gespräch zu intensivieren. „Da können wir in Zukunft sicher weit mehr als bisher gemeinsam tun“, so Superintendent Hillebrand. Zur Ökumene gehöre nicht nur der evangelisch-katholische Dialog, sondern auch das Gespräch in der gesamten Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK) ebenso wie interreligiöse Kontakte – auch wenn die aktuell noch verstärkt werden könnten. Gerade angesichts der vielen muslimischen Flüchtlinge sei der Kontakt zu den islamischen Gemeinden von großer Bedeutung, so Superintendent Hillebrand. „Nur im Gespräch und im gemeinsamen Bemühen können wir es schaffen, diese Menschen aufzunehmen, ihnen die Wahrung Ihrer Tradition und die Ausübung ihrer Religion zu ermöglichen und einem Abdriften in die Radikalisierung vorzubeugen.“

„Die reformatorische Bewegung des 16. Jahrhunderts war nicht zuletzt auch eine Bildungsbewegung“, betonte Superintendent Hillebrand. Auch in der Konzeption des Kirchenkreises ist Bildung als besonders wichtiges Arbeitsfeld verankert. „Bei uns ist Bildung heute weitgehend Aufgabe der Bundesländer. Dennoch ist auch die Kirche auf dem Gebiet der Bildung engagiert und sollte es auch tunlichst bleiben.“

Auch auf jüngste gesellschaftliche Entwicklungen ging Superintendent Gerald Hillebrand in seinem Bericht ein: „Mit einigem Erschrecken stelle ich fest, dass die Forderungen nach weniger Toleranz im Umgang mit dem Fremden lauter wird – bis in die sogenannte Mitte der Gesellschaft. (…) Als Kirchen sind wir gefordert, uns für eine tolerante Gesellschaft einzusetzen, die jedem Menschen Glaubens- und Gewissensfreiheit gewährt und ihm die Ausübung seiner Religion ermöglicht.“ Kirche müsse gesellschaftlich Stellung beziehen, das gelte auch mit Blick auf „die wachsende Kluft zwischen Reich und Arm und die Frage nach gesellschaftlicher Gerechtigkeit und sozialer Teilhabe.“ Kirche müsse auch „verstärkt nach den Menschen fragen, die sich selbst als Verlierer der weltweiten, der europäischen wie der innerdeutschen Entwicklung wahrnehmen und sich unbeachtet und unvertreten fühlen.“

Am zweiten Tag der Kreissynode beschlossen die Mülheimer Protestanten auch eine Neufassung der Visitationsordnung. Die Visitationen sind ein internes Verfahren zur Beratung und Qualitätssicherung, in dessen Rahmen der Kreissynodalvorstand bislang jährlich eine Gemeinde besucht hat. Nun soll es künftig abwechselnd Gemeinde- und  Querschnittsvisitationen zu bestimmten Arbeitsfeldern geben. Die Querschnittvisitationen finden gemeinde- und einrichtungsübergreifend statt. Unter dem Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“ wurden Optimierungsmöglichkeiten der Kommunikation zwischen Kreissynodalvorstand und Kirchengemeinden beraten.

In einigen kreiskirchlichen Gremien waren zwischenzeitlich freigewordene Positionen neu zu besetzen. Es wurden gewählt: Gordon Dietrich, Vorsitzender des Kuratoriums der Ev. Familienbildungsstätte, Pfarrerin Karla Unterhansberg, berufenes Mitglied im Ausschuss für Ökumene und Partnerschaft und  Pfarrerin Sabine Dehnelt, Vorsitzende des Synodalen Schulausschusses.

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