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Yasmin und Julia (Foto: Christoph Grätz)

Mülheim/Oberhausen. „In welcher Sprache redest Du mit Julia?“ „In Deutsch“, sagt Yasmin schüchtern, nachdem sie einen Moment überlegt hat. Yasmin ist ein achtjähriges Mädchen aus dem Libanon, das seit Anfang 2015 mit seinen Eltern und zwei Brüdern in Mülheim lebt. Julia ist eine Handpuppe, die Yasmin selbst gebastelt und für die sie ein schönes Zuhause in einem bunt bemalten Karton eingerichtet hat.

Das Mädchen ist eines von zwölf Kindern, die beim Sprachcamp, einem Ferienangebot der Caritas Mülheim in der städtischen Flüchtlingsunterkunft auf der Mellinghofer Straße, mitmachen. In einem Gemeinschaftsraum der Unterkunft haben die Caritas-Mitarbeiterinnen Ann-Kathrin Sikora, Susanne Terpoorten und Literaturpädagogin Marlott Rotthoff-Wiegel alles für das Basteln, Märchenerzählen und Spielen vorbereitet. Es geht lautstark zu, wenn die Kinder aus Mazedonien, Albanien, Syrien, dem Libanon und Nigeria eintrudeln. Die drei Schwestern Choice, Christabel und Favour, deren Eltern aus Nigeria stammen, sind heute das erste Mal hier. Sie haben von ihren Freundinnen in der Unterkunft – Eda und Igbal aus Mazedonien – gehört, dass hier was los ist und kommen neugierig dazu.

Die Flüchtlingsunterkunft, in der die Kinder mit ihren Familien wohnen, ist ein mit rostbraunen Platten verklinkertes Mehrfamilienhaus auf der Mellinghofer Straße, direkt am Autobahnzubringer zur A 40. Etwa 80 Flüchtlinge haben hier eine Bleibe gefunden. Menschen aus Syrien, dem ehemaligen Jugoslawien, Afghanistan, Pakistan, Nigeria, dem Libanon, Myanmar und Guinea. Eine bunte Bewohnerschaft, die so ganz im Gegensatz zur eher schmucklosen Fassade steht.

Die Kids jedenfalls freuen sich über die willkommene Abwechslung in den Ferien, die die Mitarbeiterinnen des Caritas-Projektes in ihren Alltag bringen. „Unser Ziel ist es, dass die Kinder ihren in der Schule erworbenen Sprachschatz auch über die Ferien behalten und erweitern. Das Basteln, die Handpuppen, Bewegungsspiele wie Silbenhüpfen helfen uns dabei“, erklärt Rotthoff-Wiegel. Sie vergleicht die Sprachentwicklung bei Kindern mit einem Baum, der zum Wachsen Nahrung, Wasser und Licht braucht. Und das Konzept geht auf.

Auch wenn dabei so mancher Kraftausdruck fällt, die Kinder aus den unterschiedlichsten Nationen unterhalten sich mühelos – wenn auch nicht in makellosem Deutsch. Anders als den Erwachsenen fällt es ihnen leichter, sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden. Der neunjährige Ahmad aus dem syrischen Idlib, der mit seinen Eltern, zwei Schwestern und einem Bruder seit acht Monaten in Mülheim wohnt, übersetzt, was seine Mama erzählt. Ahmads Vater war Baggerfahrer in Syrien, seine Mutter Schneiderin. Kontakt zu Deutschen hat sie eigentlich nur über die Schule der Kinder.

„Dabei gibt es einige Angebote für die Begegnungen zwischen Flüchtlingen und Mülheimern“, erklärt Georg Jöres, Bereichsleiter für Jugendarbeit und Schule bei der Caritas. Im „Café Barbara“, einem Bistro im Pfarrsaal der nahegelegenen Gemeinde St. Barbara, treffen sich jeden Donnerstag Nachbarn und Flüchtlingsfamilien zum Kaffeetrinken und Erzählen. Ehrenamtliche Sprachhelfer der Gemeinde bieten mehrmals in der Woche vormittags einen Sprachkurs für Erwachsene mit Kinderbetreuung an. Eine Kleidertauschbörse und Schulmaterial für die Kinder gibt es ebenfalls. Mitarbeiter vom „Springenden Punkt“, dem Jugendzentrum von St. Barbara, kommen zweimal in der Woche mit dem Spielmobil vorbei und machen Bewegungsspiele mit den Kindern. Bei ernsthaften Problemen helfen die Experten der Caritas oder die Sozialberater der städtischen Sozialberatung, die in Räumen der Unterkunft zweimal in der Woche Sprechstunden anbieten.

Die Beratungsräume liegen direkt neben dem Büro von Guido. Guido ist der städtische Verwalter und die gute Seele des Hauses. Der bärige Mann mit Tattoos und grauem Pferdeschwanz, der auch bei den Kids eine klare Sprache spricht, wird hier von allen geschätzt und gemocht. Ein besonderer Ort wie dieser braucht eben besondere Typen.

„Wo ist das Schwarz?“, ruft Riyad. Der große Bruder von Yasmin hat aus seinem Karton eine Räuberhöhle für Rafail, seine Handpuppe gebastelt. Er steht im Moment auf Kriegsfuß mit seiner kleinen Schwester Yasmin. „Ich wünsche mir ein eigenes Zimmer und ein Fahrrad“, sagt der zehnjährige Junge, der die vierte Klasse der Astrid-Lindgren-Schule besucht. Ganz normale Sorgen von Kindern in einer nicht normalen Situation. (ChG)

Info: Die Caritas Mülheim bietet insgesamt vier Sprachcamps an, in den Sommerferien in Flüchtlingsheimen, in den Herbstferien im Styrumer Jugendzentrum Marienplatz, das auch von der Caritas Mülheim getragen wird. Die Idee ist, dass die Kinder das Jugendzentrum auch nach dem Sprachcamp besuchen und Freundschaften mit anderen Kindern schließen. Gefördert wird das Projekt aus Mitteln des Landschaftsverbandes Rheinland.

Auch die Caritas Oberhausen bietet Ferienaktionen mit Sprachförderung für Flüchtlingskinder. Im Juli haben 20 Kinder, die die internationale Vorbereitungsklasse der Heideschule in Osterfeld besuchen, beim Ferienprojekt mitgemacht. Osterfeld ist ein Stadtteil mit hohem Migrantenanteil. Die Kinder erlebten in den zwei Wochen ein aufregendes Ferienprogramm mit Theater, Spielen, Sport, Musik, Ausflügen und gemeinsamen Essen.

 

InfoKlick: www.fluechtlinge.bistum-essen.de

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