Safi mit seiner behandelnden Ärztin, Dr. Claudia Esser, Chefarzt Prof. Dr. Lothar Köhler und Pflegekräften des Kreiskrankenhauses Grevenbroich (Foto: RKN-Kliniken)
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Grevenbroich/Oberhausen. Safis linkes Bein ist zehn Zentimeter kürzer als das rechte, der Oberschenkel völlig deformiert – Folgen eines nicht verheilten Bruchs. In der chirurgischen Klinik des Grevenbroicher St. Elisabeth-Krankenhauses hat Oberärztin Dr. Claudia Esser zusammen mit ihrem Oberarztkollegen Martinus Bressers den Neunjährigen bisher zweimal operiert. Der Junge aus Afghanistan wurde als eines von 90 Kindern aus Krisenregionen, die dringend medizinische Versorgung benötigen, Ende August von der Hilfsorganisation Friedensdorf International eingeflogen.

Im Bett hält es Safi nie lange. Viel lieber ist er mit seinem Kinderrollstuhl im Grevenbroicher Krankenhaus unterwegs: schaut in der Caféteria vorbei, hält sich in der Kunstausstellung in der Halle auf oder schnappt vor der Tür frische Luft. „Gerade war er noch in seinem Zimmer“, sagt Schwester Veronika Werner denn auch verwundert und schaut in das leere Zimmer auf der Station. Nein, besonders ängstlich scheint der Neunjährige nicht zu sein. Und Schmerzen hat er zur Zeit offenbar auch nicht. Dabei hat der zierliche Junge aus Afghanistan eine nicht verheilte schwere Beinverletzung und musste seit seiner Ankunft in Grevenbroich vor gut fünf Wochen bereits zweimal operiert werden. Seine Aussichten, eines Tages auf zwei gesunden, gleich langen Beinen durchs Leben zu gehen, beurteilt seine behandelnde Ärztin, die Unfallorthopädin Dr. Claudia Esser, als durchaus gut. Doch der Weg dahin ist lang.

Befunde wie der von Safi kommen der erfahrenen Ärztin nicht oft unter: „Der linke Oberschenkelknochen ist völlig deformiert und vernarbt und das linke Bein um etwa zehn Zentimeter kürzer als das rechte gesunde Bein“, fasst sie zusammen. Was genau geschehen ist, ließ  sich bisher nicht ermitteln. Eine Kriegsverletzung, betont sie, war nicht die Ursache. „Soweit wir erfahren konnten, hat Safi sich vor etwa anderthalb Jahren beim Ballspielen verletzt“, berichtet Dr. Claudia Esser. Der Knochenbruch war in Afghanistan zwar mehrfach operiert worden, doch richtig verheilen wollte er nicht. Bei der ersten Untersuchung im Grevenbroicher Krankenhaus war Safis Bein mit einem sogenannten Fixateur externe versorgt, einem äußeren Spanner aus Metall, der nach Einschätzung der hiesigen Ärzte jedoch längere Zeit schon nicht mehr ärztlich kontrolliert worden war.

Vor drei Wochen musste Safi eine erste, große Operation über sich ergehen lassen. „Wir mussten fast den gesamten Oberschenkel aufschneiden, um abgestorbenes, nicht durchblutetes Knochengewebe zu entfernen“, berichtet Dr. Esser. Der anfängliche Verdacht auf eine Infektion, die eine Ursache für die verzögerte Heilung hätte sein können, bestätigte sich glücklicherweise nicht: Keime wurden in den Gewebe-Proben nicht gefunden. Vor wenigen Tagen konnte die Operateurin darum bei einem kleineren Eingriff die Antibiotikakette wieder entfernen.

Doch wird der stark zerstörte Oberschenkelknochen wieder heilen und sogar so weit wachsen, dass Safi ein weitgehend normales Leben führen kann? Wegen seiner Beeinträchtigung konnte der aufgeweckte Kleine seit anderthalb Jahren nicht mal mehr die Schule besuchen. Zunächst gilt es abzuwarten. „Wenn die Heilung einsetzt, können wir versuchen, den Knochen mithilfe des neu angelegten Fixateurs an der Außenseite des Oberschenkels zu dehnen, um eine Verlängerung des Beines zu erzielen“, erläutert die Ärztin, „dazu muss der Spanner, der mit dem Knochen verbunden ist, täglich neu justiert werden.“ Sollte der Heilungsprozess nur ungenügend verlaufen, haben die Ärzte noch die Option, dem Jungen bei einer weiteren Operation körpereigenes oder gespendetes Knochenmaterial  in den Oberschenkel einzubauen.

Doch vorerst wird der unternehmungslustige Junge für einige Wochen ins Friedensdorf nach Oberhausen zurückkehren. Mit der Hilfsorganisation kooperiert das Kreiskrankenhaus Grevenbroich St. Elisabeth seit vielen Jahren. Rund zwei Dutzend verletzte oder kranke Mädchen und Jungen aus Krisen- und Kriegsgebieten wurden im Laufe der Jahre an die Klinik in der Schlossstadt vermittelt und hier erfolgreich behandelt. „Ich freue mich, dass die Geschäftsführung auch in diesem Jahr wieder die Erlaubnis erteilt hat, ein Kind aufzunehmen“, sagt Prof. Dr. Lothar Köhler, Chefarzt der Chirurgie und Ärztlicher Direktor des Krankenhauses. Denn die Rhein-Kreis Neuss Kliniken GmbH übernimmt die Kosten für die medizinische Behandlung des Jungen. Darüber hinaus gehende notwendige medizinische Hilfsmittel, die möglicherweise dauerhaft benötigt werden, werden zumeist über Spenden finanziert. „Da hat uns beispielsweise die evangelische Kirchengemeinde schon wiederholt tatkräftig unterstützt“, betont Prof. Köhler.

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