Privat-Dozent Dr. Stefan Soltész und die Leitende Oberärztin Dr. Evelin Schröder bei ihrer täglichen Visite auf der Intensivstation der Rhein-Kreis Neuss Klinik Dormagen, die seit einigen Wochen von einem Kollege des Universitätsklinikums Aachen via Bildschirm begleitet wird (Foto: RKN Kliniken)
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Dormagen. Das Kreiskrankenhaus Dormagen beteiligt sich als Partnerklinik an einem landesweiten Modellprojekt zur Telemedizin. Davon profitieren Patienten, ihre Angehörigen und die Mediziner.

Bei der täglichen Visite auf der Intensivstation des Kreiskrankenhauses Dormagen haben die Ärzte seit einigen Wochen digitale Verstärkung. Per Bildschirmkamera sind Kollegen vom Universitätsklinikum Aachen zugeschaltet, mit denen sie Diagnosen und Behandlungskonzepte der Intensivpatienten ausführlich besprechen. Auf diesem Wege können Chefarzt Privat-Dozent Dr. Stefan Soltész und sein Team auf das Knowhow und die Ressourcen der Uniklinik Aachen zurückgreifen. „TELnet@NRW“ heißt das über drei Jahre laufende Modellprojekt, an dem die Rhein-Kreis Neuss Kliniken Dormagen und Grevenbroich als zwei von insgesamt 17 Krankenhäusern im Land teilnehmen. Das Ziel: eine bestmögliche Gesundheitsversorgung der Bürger mit hoher Qualität – unabhängig vom jeweiligen Wohnort.

Wohnortnah behandeln und dabei die Möglichkeiten einer großen Uni-Klinik nutzen – Dr. Stefan Soltész sieht viele Vorteile in der Telemedizin und würde es begrüßen, wenn das Modellprojekt in eine langfristige Zusammenarbeit mündet. Dabei ist nicht davon die Rede, dass der Bildschirm den persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt irgendwann ersetzen soll. „Das Behandlerteam vor Ort bleibt das gleiche, durch ‚Telnet‘ wird es durch einen zusätzlichen Partner mit besonderer Expertise ergänzt“, erklärt der Intensivmediziner. Heute Mittag sind es drei Patienten, deren Krankheitsverlauf er mit dem Aachener Kollegen erörtern möchte – selbstredend nach entsprechender Einverständniserklärung der Betroffenen. Die Leitende Oberärztin Dr. Evelin Schröder schiebt den fahrbaren Tisch mit Terminal samt Kamera und Mikrofon neben das Bett einer alten Dame, deren Atmung unterstützt wird. Sämtliche Untersuchungsunterlagen, Daten, Befunde und Werte liegen den Ärzten der Uniklinik bereits seit dem Morgen vor, übermittelt über hochgesicherte Datenleitungen. Die Kamera im Kreiskrankenhaus Dormagen kann der Aachener Gesprächspartner per Fernsteuerung bedienen, etwa vom Arzt auf den Patienten schwenken oder eine Einstellung heranzoomen. Lediglich der Tastbefund ist auf diese Weise nicht möglich.

„Wir bemühen uns im Sinne der Patienten um größtmögliche Kontinuität bei den Konsiliarärzten, damit wir nicht jeden Tag jemand anderem den jeweiligen Fall neu vorstellen müssen“, sagt Dr. Stefan Soltész. Für ihn ist der Mehrwert des Tele-Konsils klar: „Der externe Ansprechpartner ist für uns eine große Unterstützung bei schwierigen Fragestellungen“, betont er, „sei es durch einen Tipp oder auch nur die Bestätigung, dass der gewählte Therapieweg der richtige war.“ Manchmal ist es darüber hinaus wertvoll, die umfangreichen Leistungen einer Einrichtung wie der Uniklinik Aachen in Anspruch nehmen zu können. „Bei der Behandlung von Problemkeimen, bei denen die meisten herkömmlichen Antibiotika wirkungslos bleiben, helfen uns etwa die Erkenntnisse der Infektiologen, die wir hier in Dormagen ja nicht haben“, berichtet Soltész. Insofern profitierten längst nicht nur Krankenhäuser in dünn besiedelten Gegenden von dieser Form der Kooperation. Und: „Man beobachtet an sich selbst, sein Tun noch stärker zu hinterfragen“, hat er festgestellt.

Das Modellprojekt „TELnet@NRW“ besteht aus zwei Phasen. Mehr als ein Jahr lang haben die Intensivmediziner aus Dormagen und den anderen beteiligten Kliniken lediglich Falldaten an die Unikliniken Aachen und Münster weitergegeben. Seit April nun finden zusätzlich täglich Tele-Visiten statt. In gut einem Jahr wiederum sollen die Behandlungsergebnisse verglichen werden: Mussten weniger Antibiotika eingesetzt werden? Hatten die Therapien größeren Erfolg? Ist die Behandlungsqualität messbar gestiegen? Dass der Testlauf gerade in der Intensivmedizin erfolgt, ergibt für Dr. Soltész Sinn: „Eine Verlegung von schwer kranken und oftmals geschwächten Intensivpatienten ist nicht nur aufwändig, sondern mitunter auch riskant. In jedem Fall stellt sie eine zusätzliche Belastung für den Patienten dar, die wir lieber vermeiden. Dank der Telemedizin haben wir aber das gesamte Wissensspektrum einer Uniklinik quasi vor Ort.“ Und auch die Angehörigen können sich bei ihren Besuchen lange Anfahrtswege sparen.

 

INFO

Modellprojekt der Telemedizin

Idee Medizinisches Wissen über räumliche Grenzen direkt zu den Patienten bringen

Ziel Behandlungsqualität verbessern, bestmögliche Gesundheitsversorgung unabhängig vom Wohnort

Dauer insgesamt drei Jahre

Beteiligte Unikliniken Aachen und Münster, 17 Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen

Projektleitung Prof. Dr. Gernot Marx, Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care des Universitätsklinikums Aachen

Förderung 20 Millionen Euro im Rahmen des Innovationsfonds durch den Gemeinsamen Bundesausschuss

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