Jonas El Bersaoui lamentiert in der Premiere von „Nach uns das All“ über sein Schicksal als falsch verstandener Mann. Die Frauen Nicole Schweitzer, Nimet Simsek, Romina La Cognata, Sabrina Kempkens, Carina Blondin und Ricarda Hanisch sind hin und hergerissen zwischen ironischem Mitleid und kämpferischer Ablehnung. Das anspruchsvolle Stück von Sybille Berg erlebte jetzt seine Premiere im Schlosstheater Moers. Die sieben jungen Schauspieler, im richtigen Leben Azubis bei der Sparkasse am Niederrhein, ernteten Anerkennung und Applaus (Foto: privat)
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Moers. Regisseur Holger Runge und sieben Azubis der Sparkasse am Niederrhein wagten viel und wurden mit Applaus und Anerkennung belohnt. Rund ein halbes Jahr nach der Uraufführung von Sibylle Bergs Stück „Nach uns das All oder Das innere Team kennt keine Pause“ im Berliner Maxim-Gorki-Theater, erlebte die doppelbödige Science-Fiction-Groteske im Schlosstheater ihre Moerser Premiere. Sechs junge Frauen wollen die faschistoide Erde verlassen und auf den Mars fliegen, um dort eine neue, von Frauen geführte Gesellschaft aufzubauen. Bezahlt wird alles von einem Fernsehsender. Unter einer Bedingung: Die Frauen müssen in einer Live-Übertragung passende Männer casten, alle gespielt von Jonas El Bersaoui mit viel humoristischen Talent.

Die Groteske ist zugleich eine sarkastische Bestandsaufnahme des Geschlechterkampfes der Generation der Dreißigjährigen, die vor lauter Rollenspielen und digitalen Ablenkungen nicht mehr erwachsen werden können. Überdies ist das Stück eine bittere Dystopie, die ein Deutschland entwirft, das seine Grenzen dicht gemacht hat und in der kritische Gedanken und sogenannte nicht artgerechte Lebensformen verfolgt werden. Der gesunde Volkskörper ist zum Maß aller Dinge geworden. Dieser Hölle wollen sechs junge Frauen entfliehen. Doch bleiben sie in einer Art ironischer Nabelschau in Selbstreflexionen verhaftet oder verbeißen sich in ihrer Kritik an den trotteligen, unfähigen Männern, anstatt zielstrebig zu handeln.

Zum großen Vergnügen des Publikums im ausverkauften Theatersaal ließen die jungen Schauspieler Klischees auf überraschend hellsichtige Statements prallen und lebten ihre Lust an der Komödie aus. Dann wieder gewann die Melancholie und die Verzweiflung die Oberhand. Wie bei einem Sybille-Berg-Stück nicht anders zu erwarten, finden die Frauen zum Schluss keinen Mann, den sie zur Mars-Kolonie mitnehmen möchten. Damit ergeben sie sich der heraufziehenden Apokalypse. Nach 80 Minuten anspruchsvollem Sprechtheater gab es für Carina Blondin, Romina La Cognata, Ricarda Hanisch, Sabrina Kempkens, Nicole Schweitzer, Nimet Simsek und Jonas El Bersaoui viel Applaus. Die Kooperation des Schlosstheaters mit der Sparkasse wird auch im kommenden Jahr fortgesetzt.

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