Landung in Düsseldorf (Foto: Friedensdorf)
Anzeige

Oberhausen/Dinslaken. Das Friedensdorf hatte zum Jahresende 2017 insgesamt 191 Kinder aus sieben Nationen in seiner Obhut.

Einzelfallhilfe

Gleichzeitig lagen für 798 Kinder aus 25 Ländern Anfragen für Einzelfallhilfe vor. Hierbei sind auch diejenigen Kinder berücksichtigt, die über das in Usbekistan arbeitende Friedensdorf-Projekt betreut werden, das Operationen zur Behandlung von Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten, angeborenen orthopädischen Problemstellungen, plastisch-chirurgische Operationen und Operationen bei Herzfehlern durchführt.

Im Lauf des vergangenen Jahres wurden 229 Kinder aus neun Nationen neu in die Einrichtung aufgenommen. Das sind gut 80 Kinder weniger als 2016 – und 29 weniger als 2015. Das Jahr 2017 muss leider als besonderes Jahr unter schwierigeren Bedingungen bewertet werden. Das liegt daran, dass nach einem Anschlag im Kabuler Diplomatenviertel die deutsche Botschaft beschädigt und geschlossen wurde, sodass keine Visa für afghanische Kinder ausgestellt wurden und sie nicht zur Behandlung nach Deutschland kommen konnten.

280 Mädchen und Jungen (aus neun Nationen) kehrten nach abgeschlossener Behandlung in ihre Heimatländer und zu ihren Familien zurück, elf Kinder weniger als 2016. Afghanistan, von wo aus 2017 nur 69 Kinder zu uns kommen konnten, bleibt trotz der beschriebenen besonderen Situation des Jahres 2017 mit Angola (108 Kinder aufgenommen, 103 reintegriert) Haupteinsatzland von FRIEDENSDORF INTERNATIONAL.  Ferner wurde die Einzelfallhilfe für Kinder aus den zentralasiatischen Ländern Tadschikistan (14 Kinder aufgenommen), Usbekistan (16 Kinder aufgenommen) und Kirgistan (sechs Kinder neu aufgenommen) durchgeführt. 2017 wurden darüber hinaus 13 Kinder aus Gambia und jeweils ein neues Kind aus Armenien, Georgien und Vietnam zur medizinischen Behandlung nach Deutschland geholt.

 

Medizinische Versorgung

2017 wurden dem Friedensdorf 229 Krankenhausfreibetten zur Verfügung gestellt; in 2016 waren es noch 314. Die Zahl der durchschnittlichen Belegtage 2017 sinkt im Vergleich zum Vorjahr um drei auf nun 30 Tage. Leider sinkt die Zahl der Krankenhäuser, die sich bereit erklären, Friedensdorf-Kinder kostenlos zu behandeln.

– 2017 wurde das Friedensdorf von 155 (statt in 2016 noch 170) Kliniken unterstützt. Darüber hinaus arbeitete das Friedensdorf mit unverändert 20 Kliniken in neun Heimatländern der Kinder zusammen, die als Konsultationskrankenhäuser Diagnosen erstellen. Ferner fungierten dort 33 Arztpraxen als wichtige Ansprechpartner und Unterstützer.

Insgesamt wurden die Rahmenbedingungen für die Einzelfallhilfe des Friedensdorfes in den vergangenen Jahren schwieriger. Weil sich die Verweildauer der Kinder im Krankenhaus tendenziell verringert, ergibt sich für das Friedensdorf selbst automatisch ein höherer pflegerischer und auch physiotherapeutischer Aufwand. Dies ist der Kostensituation und dem Personalnotstand der Krankenhäuser geschuldet.

Vermehrt werden aber auch Kinder in Fachkliniken verlegt, die ihrerseits auf einer Kostenerstattung bestehen, was unsere finanziellen Möglichkeiten zusehends in Anspruch nimmt. Auf die beschriebene Entwicklung bei den Freibetten haben wir 2017 mit der Neugründung der Koordinationsstelle Oldenburg und mit Veränderungen in der Krankenhausabteilung reagiert. Beide Veränderungen sollen noch direktere und persönliche Kontakte zu Verantwortlichen in Kliniken ermöglichen. Mit dem Bauantrag für einen eigenen OP im Friedensdorf ist zusätzlich ein wichtiger Schritt getan, der nach der Verwirklichung neue Möglichkeiten für uns und die Friedensdorf-Kinder bieten wird.

 

Ehrenamtliche Mitarbeit

Die ehrenamtliche Unterstützung durch freiwillige Helfer ist für das Friedensdorf als nahezu ausschließlich spendenfinanzierte Organisation von elementarer Bedeutung und dies in den verschiedensten Arbeitsbereichen (z.B. in der Heimeinrichtung, beim Fahrdienst, in der Krankenhausbetreuung, bei Veranstaltungen oder in den Friedensdorf-Interläden). Einige ehrenamtliche Helfer sind im Jahresverlauf kontinuierlich aktiv, andere wiederum sporadisch zu bestimmten Veranstaltungen oder in Notfällen. Wiederum andere müssen aus privaten oder beruflichen Gründen für mehrere Monate oder gar Jahre aussetzen und kehren später in dasselbe oder ein anderes Tätigkeitsfeld zurück. Bundesweit sind jedoch ständig zwischen 200-300 Ehrenamtliche in Freundschafts- und Freundeskreisen oder auch als Einzelpersonen für das Friedensdorf aktiv. Zudem haben alle ehrenamtlichen Mitarbeiter die vorgeschriebene Schulung durchlaufen, die auch 2017 auf großes Interesse stieß.

Bildungswerk-Gäste begegnen Kindern (Foto: THahn)

Projektarbeit

Die Projektarbeit ist neben medizinischer Einzelfallhilfe ein zweiter wichtiger Arbeitsbereich des Friedensdorfes. Dank der relativ stabilen finanziellen Situation konnten wir 2017 wichtige Projekte weiter unterstützen und neue – etwa den geplanten Bau der mittlerweile 33. Basisgesundheitsstation in Kambodscha – durchführen.

Der Schwerpunkt bleibt dabei wie in den Vorjahren auf dem Ausbau des Netzes von Basisgesundheitsstationen (BGS), für den das Friedensdorf 2017 auch vom kambodschanischen König Norodom für diese nachhaltige Arbeit ausgezeichnet wurde. Die Stationen garantieren einem Großteil der Menschen in entlegenen Provinzen eine medizinische Grundversorgung und Beratung, die sonst für die Menschen angesichts der schwierigen Infrastruktur kaum erreichbar ist.

Das seit 2010 in Zusammenarbeit mit der Erfurter „Thüringisch Kambodscha-nischen Gesellschaft e.V.“ geförderte Behinderten- und Blindenprojekt (COM-PED HOME) in Phnom Penh vermittelt jungen Menschen Kenntnisse und Fertigkeiten vorwiegend im landwirtschaftlichen Bereich, mit denen sie nach der Ausbildung ihre Familien vor allem in ländlichen Gebieten unterstützen können. Zudem wurde hier der Ausbau eines Kindergartens für jetzt 54 Kinder aus Müllsammlerfamilien in erheblichem Umfang vom Friedensdorf finanziert. Auch das Zirkusprojekt in Battambang dient der Förderung von Kindern, deren Familien rund um eine Mülldeponie leben. Sie sollen sich im motorischen und kognitiven Bereich weiterentwickeln und im sozialen Miteinander gefördert werden.

In Usbekistan fördert das Friedensdorf weiterhin vier Projekte, die auch 2017 sehr effektiv und effizient arbeiteten. So konnten zum Abrechnungsstand August 2017 in dem seit 2003 unterstützten Lippen-Kiefer-Gaumenspalten Projekt weitere 72 Kinder operiert werden. 82 Kinder erhielten 2017 orthopädische Operationen über das seit 2008 mit Unterstützung des Friedensdorfes arbeitende Projekt. Im Rahmen des 2011 neu hinzugekommenen Projektes für plastisch-chirurgische Operationen konnten bis August 2017 33 weitere Kinder versorgt werden. Das 2015 angestoßene Projekt für herzkranke Kinder aus Usbekistan half 2017 (Zahlen bis August) 149 Kindern, 16 davon können nach Operationen in Indien nun gesundwerden.

Zusätzlich zu den auch im Nachbarland Kirgistan laufenden Projekten für plastisch-chirurgische und orthopädische Operationen (seit 2015) konnte Friedensdorf im Land an der Nordwestgrenze Chinas 2017 auch mit der Finanzierung eines wichtigen Diagnosegerätes für Darmerkrankungen bei Kindern helfen. In Tadschikistan wurde das von der Partnerorganisation 2016 erworbene Gebäude, in dem die Kinder vor und nach den Charterflügen untergebracht sind, 2017 ausgebaut. Unter anderem steht dort zusätzlich ein Physiotherapieraum zur Verfügung.

Im PEACE VILLAGE Nattandiya/ Sri Lanka, das 2016 in die Eigenständigkeit entlassen wurde, förderte Friedensdorf 2017 kontinuierlich weitere Sozial-Projekte.

Zusätzlich zu allen genannten Projekten wurden alle Länder 2017 mit Hilfsgüter-lieferungen unterstützt.

 

Hilfsgüterlieferungen

2017 wurden von Friedensdorf insgesamt 103 Tonnen Hilfsgüter (2016: 118 t., 2015: 114 t.) mit einem Gesamtwert von rund 1,67 Mio. Euro (Vorjahre: 1,79 und 1,31 Mio. Euro) in die Projektländer gebracht. Der Nutzwert liegt wesentlich höher.

Angola und Afghanistan waren dabei zusätzlich zur Einzelfallhilfe die Länder, in die FRIEDENSDORF INTERNATIONAL 8,8 bzw. 7,6 Tonnen (für 575.000 Euro/ ANG bzw. 385.000 Euro/ AFG, Nutzwert jeweils deutlich höher) Hilfsgüter schickte. Im relativ kleinen Gambia, wo 2017 der 10. Friedensdorf-Hilfseinsatz stattfand, konnte unsere Kinderhilfsorganisation parallel zur Einzelfallhilfe 4,98 Tonnen Hilfsgüter und Dauermedikamente für frühere gambische Friedensdorf-Kinder zur Verfügung stellen.  Im Winter packten Menschen in Deutschland bei der Bürger-Paketaktion über 4600 Lebensmittel-Pakete für bedürftige Familien und Waisen in Tadschikistan und im Kaukasus.

 

Friedensdorf Gemeinschaftsstiftung

Gegründet im Jahr 2001 mit dem formulierten Ziel, die Arbeit des Friedensdorfes langfristig abzusichern, flossen bislang Erträge aus der Stiftung in die Finanzierung verschiedener Projekte (z. B. Bau von Basisgesundheitsstationen in Kambodscha) und auch in die Finanzierung von Charterflügen im Rahmen der Einzelfallhilfe.

Im Jahr 2017 wurden in Kambodscha erneut die Blinden- und Behindertenschule Comped Home und das Zirkusprojekt in Battambang sowie Basisgesundheitsstationen gefördert. Die Finanzierung des Kindergarten-Projektes für Kinder von Müllsammlerfamilien bei Phnom Penh ist bis 2018 abgedeckt. 2017 flossen 150.000 EUR aus der Gemeinschaftsstiftung in die Gesundheitsstationen und das Zirkusprojekt.

 

Friedensdorf Bildungswerk

Nach jahrelanger Erfahrung mit den Folgen von Kriegen wurde 1986 das FRIEDENSDORF BILDUNGSWERK gegründet mit dem Ziel, humanitäres Bewusstsein und soziales Engagement hierzulande zu fördern und einen Beitrag zum friedlichen Zusammenleben aller Menschen zu leisten. Im Jahr des 50. Friedensdorf-Bestehens war das Bildungswerk mit einer vielbeachteten Ausstellung im Rathaus Dinslaken und im Oberhausener Bert-Brecht-Haus über mehrere Wochen zur Information über das Friedensdorf-Wirken seit 1967 präsent. Aktueller Schwerpunkt des Bildungswerkes bleibt stets die friedenspädagogische und -politische, interkulturelle und entwicklungspolitische Bildungsarbeit. Fast 100 Gruppen waren 2017 bei Ein- oder Mehrtagesveranstaltungen im Rahmen dieser Arbeit des Bildungswerkes in den Räumen der Begegnungsstätte an der Rua Hiroshima zu Gast.

In Zahlen notiert nahmen 98 Gruppen mit über 2300 Teilnehmern/-innen an den interkulturellen Begegnungsseminaren (2016: 101) teil. 16 Gruppen besuchten die Begegnungsstätte zum ersten Mal. Für Besucher gab es insgesamt 4030 Teilnehmertage; die Tendenz geht hier zunehmend von bis zu dreitägigen Veranstaltungen hin zu Wochenenden mit nun weniger als zwei Übernachtungen bei gleichbleibend vielen Teilnehmern.

Auffällig war 2017 zudem, dass das bereits bestehende Angebot der Bildungswerk-Mitarbeiterinnen, über Frieden- und Krieg auch vor Ort im Unterricht von Schulen aller Formen zu berichten, deutlich stärker als bisher angenommen wird. Krieg ist leider eine Wirklichkeit, sie gefährdet und vernichtet Leben weltweit. Gut ist, dass sich Jugendliche im befriedeten Deutschland mehr und mehr dieser Wirklichkeit und der Suche nach Frieden stellen.

Im Bereich der Familien- und Erwachsenenbildung gab es 2017 über 1500 Unterrichtstunden.

Nachdem das Friedensdorf-Bildungswerk im Jahr 2010 das paritätische Qualitäts-Siegel erhielt und somit die Anforderungen erfüllte, um auch weiterhin als anerkannte Familienbildungsstätte gefördert zu werden, hatte es zuletzt 2016 die Rezertifizierung erhalten, die mit zu 99% erfüllten Qualitätsansprüchen außerordentlich positiv ausgefallen war.

2017 gab es viele öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen mit Aktionen für Kinder und Jugendliche, etwa zu Themen der „Interkulturellen Begegnung“ und oft auch im Rahmen des Gedenkjahres 50 Jahre Friedensdorf. So gab es am Gründungstag des Friedensdorfes, dem 6. Juli, einen Sternmarsch von 120 Schülern/-innen aus Oberhausen, Essen, Duisburg und Leverkusen zum Friedensplatz in der Oberhausener City. Mit Friedensdorf-Kindern legten sie dort ein Puzzle zusammen: Es symbolisierte, dass nur mit der Hilfe vieler die Arbeit für kranke Kinder und die weltweite Friedensdorf-Projekthilfe möglich ist. Die Veranstaltungen ergänzten die in der Öffentlichkeit stark beachtete Zentralveranstaltung zum Gedenken an die 50 Jahre. Dabei kamen unter dem Leitwort „Gestern, Heute, Morgen“ Zeitzeugen sowie Mitarbeiter, Unterstützer und Friedensdorf-Förderer zu Wort.

Weitere Veranstaltungen in der Öffentlichkeit waren z. B. das erste Friedensdorf-Fußballturnier am Platz von TV Jahn Hiesfeld unter dem Motto „50 Tore für den Frieden“, eine Präsentation über die Kinderhilfsorganisation im Duisburger Ratssaal vor Politikern und Gewerkschaftern zum Antikriegstag sowie mehrere Veranstaltungen zum Weltkindertag im September. Traditionell arbeitet das Friedensdorf-Bildungswerk auf breiter Basis mit Oberhausener Organisationen im Bereich der Bildungs- und Friedensarbeit zusammen. Nur ein Beispiel für öffentliche Veranstaltungen dieser Art war das für über 200 Gäste vom „Netzwerk Interkulturelles Lernen“ (NIL) organisierte Fest zum Tag der Menschenrechte Anfang Dezember.

 

Ausblick auf 2018

2018 wird Friedensdorf auch mit der erwähnten und dann ausleihbaren Ausstellung zu den Schwerpunkten seiner mehr als 50-jährigen Arbeit weiter in die Öffentlichkeit gehen. Kern der Arbeit bleibt nach dem besonderen Jahr 2017 natürlich die Einzelfallhilfe und die Projektarbeit vor Ort in aller Welt.

Der erste Charterflug im Rahmen der Einzelfallhilfe wird Mitte Februar hoffentlich wieder mit afghanischen Kindern, die dringend in Europa behandelt werden müssen und aufgrund der über Monate ungeklärten Visafragen lange auf ihre Behandlung in Deutschland warten mussten, in Düsseldorf landen. Denn vom Auswärtigen Amt wurde dem Friedensdorf nach monatelangen Gesprächen – vorsichtig formuliert – eine Lösung in der Visa-Frage in Aussicht gestellt. Auf eine solche Lösung haben auch unsere Partner in Afghanistan gehofft. Sie mussten nach der Vorstellung von Kindern Familien vertrösten, ohne dass für sie selbst eine Perspektive absehbar war. Insgesamt ist zu hoffen, dass Afghanistan im Sinn der kranken Kinder 2018 neben Angola eines von zwei Schwerpunktländern der Einzelfallhilfe bleibt.

In den letzten Jahrzehnten, Jahren und Tagen haben wir zahlreiche Friedensdorf-Schützlinge und ihre bewegenden Schicksale sowie auch viele Wegbegleiter kennengelernt, die unsere Arbeit unterstützten. Ohne diese zuverlässige und freundschaftliche Hilfe wären die jahrelange Einzelfallhilfe und Projektarbeit niemals möglich gewesen.

Das Friedensdorf wird so auch 2018 im Rahmen der Einzelfallhilfe vier Schwer-punkteinsätze in Angola und Afghanistan (mit Kaukasus und Zentralasien) durchführen. Zusätzlich sind im Rahmen der Einzelfallhilfe und Projektarbeit weitere Dienstreisen nach Zentral- und Südostasien sowie in den Kaukasus und Gambia geplant.

Wichtige Termine im Friedensdorf-Jahr werden weiter „Peace im Pott“ (7. Juli), der Friedenslauf (1. September) und das Dorffest am 8. September sein. Tradition bleiben auch die Modellbaubörsen (4. März und 4. November) und der alle zwei Jahre stattfindende Friedensdorf-Adventsbasar (1. Dezember).

Auch 2018 wird es eine Bürger-Paketaktion für bedürftige Menschen im Kaukasus und in Tadschikistan geben.

Beitrag drucken
Anzeigen