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Rhein-Ruhr. Die deutsch-türkischen Beziehungen stecken im Dilemma – das wird am Fall Yücel deutlich. Gegen den Journalisten Deniz Yücel, der die deutsche und die türkische Staatsangehörigkeit besitzt, wurde in der Türkei auf unbestimmte Zeit Untersuchungshaft verhängt.

Mit dieser Missachtung der Grundrechte unter der Erdogan-Regierung ist ein neuer Tiefpunkt erreicht. Die Haltung der Freien Demokraten dazu ist klar: Die freie Meinung darf nirgendwo im Gefängnis landen! Die Bundesregierung erscheint jedoch auffallend zurückhaltend. Die Bundesregierung darf jedoch nicht den Eindruck erwecken, dass sie erpressbar ist. Angesicht dieses massiven Angriffs auf die Pressefreiheit muss sie robust gegen die Regierung Erdogan auftreten und darf nicht einfach zur Tagesordnung zurückkehren.

Die türkische Regierung unter Erdogan tritt die europäischen Werte mit Füßen. Die Vorwürfe gegen Yücel erinnern eher an eine Diktatur als einen demokratischen Staat. Einem Journalisten, der seiner Aufgabe einer kritischen Berichterstattung nachgeht, Terrorpropaganda zu unterstellen ist geradezu infam. Unabhängiger Journalismus hat unter Erdogan leider kaum mehr eine Chance. Aber die Pressefreiheit ist für Freie Demokraten nicht verhandelbar.

Klar ist, dass die Bundesregierung mit allen diplomatischen, politischen und rechtlichen Mitteln Auftritte von Erdogan oder seiner Regierung verhindern muss. Es kann nicht sein, dass Vertreter der Erdogan-Administration nach Deutschland reisen, sich dabei auf unsere Grundrechte berufen, um hier für ein gravierende Beschränkung von Parlamentarismus und Rechtsstaatlichkeit – und möglicherweise für die Todesstrafe zu werben. Gleichzeitig werden in der Türkei deutsche Staatsangehörige festgesetzt, die gerade für individuelle Freiheitsrechte kämpfen.

Propaganda-Auftritte von Erdogan oder seinen Ministern werfen uns integrationspolitisch um Jahre zurück. Sie reißen Gräben innerhalb der deutsch-türkischen Gemeinschaft und schaden der Akzeptanz des Zusammenlebens in Deutschland insgesamt. Alle deutsch-türkischen Organisationen sind aufgerufen, jetzt mäßigend einzugreifen und nicht die einseitige Propaganda Erdogans zu verbreiten. Das Land NRW steht in der Verantwortung, Verbänden wie der UETD, die zu solchen Auftritten einladen, unmissverständlich klar zu machen, dass es für diese Politik keine Akzeptanz gibt.

Die Bundesregierung hat die Möglichkeit, türkischen Regierungsmitgliedern schlicht kein Visum für die Einreise zu erteilen, wenn sie hier als Wahlkämpfer auftreten wollen. Frau Merkel und ihre Regierung können sich nicht länger wegducken, sie müssen jetzt Farbe bekennen und die Serie von Auftritten in Deutschland verhindern. Das ist ein scharfes Mittel, aber in der gegenwärtigen Lage angemessen.

Die FDP wünscht sich die Rückkehr zu einer freundschaftlichen Partnerschaft mit der Türkei. Dafür braucht es eine Kehrtwende zu einer rechtsstaatlichen und demokratischen Türkei, die europäische Werte akzeptiert und die nicht gegen kritische Journalisten vorgeht. Solange das nicht gegeben ist, müssen jedoch auch die EU-Beitrittsverhandlungen gestoppt werden.

 

Ein KlarKlick von Dr. Joachim Stamp MdL, stellv. Fraktionsvorsitzender und integrationspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Landtag NRW

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